Rezensionen · Romane

Rezension „Kill your Friends“ von John Niven ★★★★

Ein Roman voller Drogen-Exzesse und Gewalt. Daher kommt dieser auch nicht ohne Trigger-Warnung aus und ist nichts für zarte Gemüter. Ich jedoch bin begeistert.

Um diesem Roman und John Niven gerecht zu werden, bediene ich mich in meiner Rezension einer etwas vulgären Sprache, wie es im Roman selbst auch vorkommt. Daher…

FSK 16 J.

Wer nichts von derben Kraftausdrücken hält, bzw. nichts für Romane mit solchen übrig hat, sollte jetzt gehen, wer die entschärfte Rezension lesen möchte, der möge auf Amazon ausweichen…falls sie dort überhaupt freigegeben wird. Alle anderen …. Herzlich Willkommen zu meiner zweiten FSK 16 J. -Rezension.

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Eigenleben vor Fremdleben

Erfolg um jeden Preis. Steven Stelfox ist A&R-Manager in einer großen Plattenfirma, immer auf der Suche nach dem nächsten Hit, immer am oberen Level. Doch als die Erfolge ausbleiben, greift er zu radikalen Mitteln. Plötzlich verwandeln sich die guten Freunde in Todfeinde. In einer Welt, in der sich die Protagonisten krampfhaft über Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll definieren, gerät sein Leben zunehmend außer Kontrolle. Die Folgen sind verheerend…(Klappentext)

© Pink Anemone

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Triggerwarnung für diesen Roman: Rassismus, Sexismus, physische und vor allem sexualisierte Gewalt

„Das ist MEIN Job:
Ich höre mir Musik an – Sänger, Bands, Songwriter – und entscheide, welche eine reelle Chance auf kommerziellen Erfolg haben.
Dann kümmere ich mich darum, dass ihre Musik angemessen aufgenommen wird, und wir, die Plattenfirma,
verkaufen sie schließlich an euch, die Öffentlichkeit.
Klingt ganz einfach in deinen Ohren? Fick dich ins Knie – du würdest es keine zehn Minuten überleben.“
(S. 18)

Steven Stelfox – 27 Jahre, erfolgreich, gut aussehend und ein aufgeblasenes Arschloch. Er ist arrogant, sexistisch, rassistisch und ein Egomane durch und durch. Steve Stelfox ist also alles andere als ein Sympathieträger und man kann ihn schon ab der ersten Seite nicht leiden.

Durch diesen koksziehenden Vollidioten erhält man Einblick in seine Welt – in die Welt der Musikindustrie und die ist alles andere als ein Ponyhof. Diese besteht nämlich aus Intrigen, Machtgeilheit und noch mehr solcher Typen wie Steven. Eigenleben vor Fremdleben ist hier die Devise und Steven nimmt das nur allzu wörtlich. Muss er ja irgendwie, um seinen Lebensstandard weiterhin hoch zu halten – um sich weiterhin teure Klamotten, Koks und Nutten leisten zu können.
Als sein Arsch auf Grundeis geht, genügt es nicht mehr anderen bloß ans Bein zu pissen und deren Karrieren zu zerstören, um weiters einer der Alpha-Gorillas im Musik-Business zu sein. Steven muss zu drastischeren Mitteln greifen, denn – Eigenleben vor Fremdleben.

Man begleitet Steven ein Jahr lang und somit 12 Monate. Jedes Monat wird durch damalige News aus der Musikbranche eingeleitet und jedes Kapitel durch ein Zitat eines Produzenten oder Sänger, wie z.B.: Simon Cowell, Don Simpson, etc.

Bis es zu einem Mord kommt, dauert es jedoch etwas. Bis dahin plaudert Steve über die Musikindustrie und wie sie wirklich ist, was sich jedoch alles andere als langweilig gestaltet.
Man besucht mit ihm Events, Puffs und Geschäftsessen, ballert sich die Birne mit teuren Alkoholika, Koks und sonstigen Drogen und Pillen zu und lernt dabei all die anderen Loser und Arschlöcher kennen. Hierbei wird geflucht was das Zeug hält. Dann ,wie aus dem NIchts und völlig unerwartet, quasi aus einer Laune heraus, geschieht es – der erste Mord. Einfach so und nahezu emotionslos, als wäre dieses Geschehen eine Nebensächlichkeit. Dies ist wohl das schockierender, als die ganze sexistische und abwertende Flucherei. Hier erkennt man dann erst mit was für einem Typ Mensch man es wirklich zu tun hat. Er ist nämlich nicht nur ein Arschloch, sondern ein berechnendes und gefühlskaltes Oberarschloch.

Ihr mögt nun womöglich das Gefühl haben ich würde diesen Typen abgrundtief hassen..nun ja..nein. Das zwischen mir und diesem abgewichsten Arsch,der auf alles schimpft und scheißt, ist es sowas wie eine Hass-Liebe. Vielleicht seid Ihr auch der Meinung, dass meine Wortwahl derb und proletarisch ist. Nun, dann braucht Ihr hier überhaupt nicht mehr weiterlesen oder auf andere Rezensionen umschwenken, denn dann ist dieser Roman definitiv nichts für Euch. Wenn dem also so sein sollte, dann – Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Für sensible Gemüter ist dieser Roman nämlich definitiv NICHTS.

„Während [das] Atmen von einem lauten, mühsamen Schnorcheln zu einem rasselnden Wispern wird und schließlich ganz aufhört,
sehe ich Clips der Cardigans, Radiohead, Texas und die neue Blur-Single.
Zufrieden, dass er tot ist, hole ich meinen Schwanz raus und pisse ihn voll.“
(S. 113)

Der Schreibstil ist flüssig und die Charaktere sind durchwegs gut gezeichnet, wenn man auch fast niemanden leiden kann, da ja auch Steve niemanden leiden kann.
Hier richtet sich der Protagonist an den Leser und erzählt seine Geschichte, mit seinen Ansichten und das in einem ziemlich tiefen Jargon – rassistisch, sexistisch, derb…so wie Steven eben ist. Dagegen sind meine Worte nahezu als niedlich zu bezeichnen. Dabei wird der Leser auch direkt angesprochen und man hat das Gefühl Steven gegenüber zu sitzen – mit einem teuren Whisky in der Hand und vor einem eine Line Koks auf dem Tisch. Man ist hier mitten drin, statt nur dabei. Manchmal wurde aber selbst mir das Gefluche und Geschimpfe zu viel, bzw. begann es mich zeitweise zu langweilen, da ich immerzu darauf hoffte, dass Steve wieder mal durchdreht. Was er dann auch tut…wieder völlig unerwartet und wie aus dem Nichts.
Die Atmosphäre der 90er wird gekonnt eingefangen und wiedergegeben, sei es durch diverse Sprüche, wie z.B. „Coolio“, oder durch damals angesagte Bands und Songs. Das erhöht natürlich den Lesegenuß, vor allem wenn man in dieser Zeit selbst durch die Clubs zog, wie ich.

„Sein Nachname enthält einen Bindestrich, scheiße,
und trotzdem redet er immer wieder wie ein mit Schuhcreme geschwärzter Dick Van Dyke –
die gedehnten Vokale, die verschluckten Konsonanten -,
weil er irgendwann mit fünfzehn mal eine HipHop-Platte gehört und beschlossen hat, die Dachpappen wären cool.“
(S. 45)

Eine Freundin sagte mir, dass die Story sehr an „American Psycho“ von Bret Easton Ellis erinnert und dem muss ich zustimmen. Der Schreibstil von Niven mach das Buch dennoch speziell – ein Niven eben und daher „American Psycho“ zwar ähnlich, aber trotzdem ganz anders.

© Pink Anemone

Fazit:
Ich bin ein absoluter Fan von John Niven und dieses Buch zu lesen hat mir richtig Spaß gemacht.
Es ist verstörend, abartig, morbid, ein durchaus obszöner Roman voller Gewalt. Gleichzeitig hat mich die Story gefesselt und ich musste an mehreren Passagen sogar lauthals lachen. Dieses Gefühl von heiß-kalt, dem Wechsel zwischen ekelhaft und zum Schreien komisch, muss ein Autor erstmal bringen.
Irgendwie ist dies eine spezielle Art gewisser schottischer Autoren. Irvine Welsh gehört z.B. auch zu dieser äußerst seltenen Autoren-Spezies.
Ich für meinen Teil freue mich jetzt schon, im Jänner wieder mit dem Wichser Steve abzuhängen. Da erscheint nämlich der 2. Teil „Kill ‚em All“.

© Pink Anemone

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Leseprobe (von Randomhouse)

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Reihenfolge, wenn man es als Stelfox-Reihe betrachtet
  1. „Kill your Friends“ (2008)
  2. „Gott bewahre“ (2011)
  3. „Kill ‚em All“ (2019)

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Weitere Buchinformationen

 

  • Taschenbuch: 384 Seiten
  • Verlag: Heyne TB (4. Februar 2008)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453675444
  • ISBN-13: 978-3453675445
  • Preis: 12,00€ (Stand vom 13.09.2018)
  • Auch erhältlich als: E-Book und HB

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Film zum Buch

Beim Film wurde natürlich viel gekürzt und entschärft, damit hatte ich gerechnet, aber trotzdem kommt er dem Buch nicht mal ansatzweise nahe. Was nicht bedeutet, dass er schlecht ist. Man kann ihn sich durchaus gönnen, vor allem auch aufgrund der gut gewählten Schauspieler. Nicholas Hoult spielt das Arschloch Steve wirklich überzeugend, weiters sind noch zu sehen: James Corden, Ed Skrein, Joseph Mawle, etc.

 

 

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Autoren-Info
Bildquelle: BBC-Radio

John Niven, geboren in Ayrshire im Südwesten Schottlands, spielte in den Achtzigern Gitarre bei der Indieband The Wishing Stones, studierte dann Englische Literatur in Glasgow und arbeitete schließlich in den Neunzigern als A&R-Manager einer Plattenfirma, bevor er sich 2002 dem Schreiben zuwandte.
2006 erschien sein erstes Buch, die halbfiktionale Novelle Music from Big Pink über Bob Dylan und The Band in Woodstock; 2008 landete er mit dem Roman Kill Your Friends – einer rabenschwarzen Satire auf die Musikindustrie – einen internationalen Bestseller. Es folgten die Romane Coma, Gott bewahre, Das Gebot der Rache, Straight White Male, Old School und Alte Freunde. John Niven schreibt außerdem Drehbücher.
Er lebt derzeit in Buckinghamshire, England.

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6 Antworten auf „Rezension „Kill your Friends“ von John Niven ★★★★

    1. Hihi, freut mich das sie dir gefällt. Hab ja schon mit so nem kleinen Shitstorm gerechnet von wegen man könne so ein Buch auch mit weniger derben Worten rezensieren. Gibt ja immer welche, die sich über alles und jeden aufregen und meinen es gibt nur eine richtige Art zu blocken 😉
      Dann mach dich mal auf die Suche und sag mir was Du von diesem Wichser von Protagonisten hältst 😆 Falls Du es rezensieren solltest, würde ich mich freuen Dich verlinken zu dürfen. Ich kenn nämlich keinen der das Buch schon rezensiert hat. 😬

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  1. Sehr geile Rezi! Und du hast mich angefixt, neugierig gemacht!
    Ja, du schreibst der Anfang ist alles andere als langweilig, aber irgendwie befürchte ich, ich würde nicht ganz rein finden in die Story … Du kennst ja nun langsam etwas mich und die Geschichten dieser Welt, wär das Buch was für mich?

    Gefällt 1 Person

    1. Reinfinden würdest Du sicherlich, sofern Dir die vielen Figuren nichts ausmachen, aber die muss man sich eigentlich nicht wirklich merken, da die ja eh alle Arschlöcher sind..lt. dem Protagonisten *g*.
      Dir könnte es nur etwas zu lange dauern bis da etwas passiert. Bis dahin blickt man hinter die Fasade der Musikindustrie und vor allem hinter die Maske von Steven.

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