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Rezension „Tatort Dorf“ von Gisbert Strotdrees ★★★★★

Interessante Einblicke in historische Kriminalfälle aus Dörfern, sowie in die Geschichte selbst

Mord und Totschlag auf dem Lande

Ein Erzbischof wird im Wald erschlagen. Ein Torfstecher findet eine Leiche im Moor. Eine Lehrerin wird von einem Verehrer verfolgt, bis er sie in der Bauernschaftsschule aufspürt und ein Messer zückt. Von rund 30 historischen Kriminalfällen vom Land berichtet dieses Buch. Der Autor Gisbert Strotdrees, Historiker und Journalist, hat dafür Gerichtsakten, Dorfchroniken und Verhörprotokolle gewälzt. Alle Fälle im Buch haben zweierlei gemeinsam: Sie haben sich auf dem Land, in Dörfern oder Bauernschaften ereignet, und sie sind nicht erdacht, sondern haben sich tatsächlich zugetragen!…(Klappentext)

© Pink Anemone

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„Unter dem Strich gewähren die Aufzeichnungen des Gogerichtes zur Meest einen Blick auf den Tatort Dorf und lassen in Abgründe blicken:
Abgründe menschlicher Existenz in karger Zeit.“
(S. 35)

Von wegen, die wahrhaft grausigen Verbrechen fanden schon dazumal hauptsächlich in den Städten statt. Von wegen, auf der Alm, oder in diesem Fall auf dem Dorf, da gibt’s koa Sünd!
Dieses Buch enthält historischer Kriminalfälle aus Dörfern und hierbei handelt es sich keineswegs nur um Diebstahl von Weizen und Hühnern. Mord und Totschlag, Sexualverbrechen und schwerer Raub, kamen damals ebenso in kleinen Gemeinden und Dörfern vor und waren nicht weniger erschütternd als Kriminalfälle in den großen Städten.

Die hier aufgeführten Kriminalfälle beginnen im Jahr 1225, gehen bis 1966 und beschränken sich auf Westfalen. Es beginnt mit der Ermordung des Kölner Erzbischofs am 7. November 1225, man erhält Einblick in Westfalens berühmtesten Mordfall 1783, welcher auch in dem Klassiker „Die Judenbuche“ verarbeitet wird, man entdeckt 1922 eine Moorleiche und fandet im Jahr 1966 573 Tage nach Bruno Fabeyer, etc.

© Pink Anemone

In diesen Berichten werden Tat, Motiv, sowie das Strafverfahren beschrieben, wobei dies auf sehr plastische und detailierte Art und Weise geschieht. Man erhält einen kurzen Einblick in die Biographie der Beteiligten und Einsicht in Verhörprotokolle, Ermittlungsakten und Zeitungsberichten. Doch dieses Buch enthält nicht nur Kriminalfälle. Es wird einem einen Blick in den Oldenberger Sachsenspiegel, ein Rechtsbuch aus dem 13. Jahrhundert,gewährt, erfährt was es mit so manchen Steinkreuzen auf sich hat oder was an Moorleichen so faszinierend ist.

© Pink Anemone

„Wenn jemand etwas findet und er es leugnet, wenn man danach fragt, ist das Diebstahl. Was ein Mann findet oder Dieben oder Räubern abjagt, soll er seinen Dorfgenossen und in der Kirche bekanntmachen.“
(S. 15 – Auszug aus dem Oldenburger Sachsenspiegel)

So manches ist auch äußerst amüsant zu lesen. So durfte man z.B. im Mittelalter auch für Beleidigungen belangt werden. Die Bezeichnungen „Hundsfott“ oder „Lümmelschwanz“ waren z.B. Beleidigungen schweren Kalibers und wenn man jemandem während eines Streits den blanken Hintern zeigte, war wirklich Schluß mit lustig.

Aufgrund der Aufführung von Dorfchroniken erhält man zusätzlich Einblick in die jeweiligen Dorfgemeinschaften und deren Geschichte, blickt somit quasi hinter die Kulissen.
Durch die chronologische Anordnung sieht und erkennt man gleichzeitig den Wandel der Zeit und die dadurch auftretenden Veränderungen innerhalb der Dorfgesellschaften und die Krisen, welche bestimmte Zeiten mit sich brachten. Es ist also nicht nur ein Buch über historischer Kriminalfälle, sondern es werden einem gleichzeitig die Geschichte selbst näher gebracht.

© Pink Anemone

„Rädern hieß:
Der Verurteilte wurde auf den Boden gelegt, gestreckt und festgepflockt. Dann zerschlug ihm der Henker mit einem scharfkantigen Wagenrad die Gliederknochen.
Der zermarterte Körper wurde dann auf ein anderes Rad gelegt. Die Gliedmaüen wurden dabei wie Flechtwerk durch die Speichen geschoben. Der Delinquent starb nach endlosen Qualen durch Verbluten oder Herzstillstand.“
(S. 12)

Dies alles wird in einem flüssigen Schreib-, packenden Erzählstil und leicht verständlich an den Leser gebracht. Wie schon erwähnt werden Taten sehr detailliert beschrieben und diese sollten dann wohl von sensiblen Lesern besser überblättert werden.

Zusätzlich enthält dieses Buch zahlreiche Abbildungen, wie z.B. von Zeitungsausschnitten, Gemälden, Fotographien, oder auch wie eine Tatortskizze aus dem Jahr 1607 aussah. Dies trägt zusätzlich zu einem besseren Verständnis bezüglich der damaligen Zeit bei.

Tatortskizze 1607 / © Pink Anemone

„Die Täter sollten den Bruder des Toten ein Schwert sowie zehn Schillinge geben, für die Versorgung der Kinder des Toten aufkommen sowie >>zum Seelenheil des Toten<< 30 Messen lesen lassen und zwei Wallfahrten unternehmen. Außerdem wurden sie verurteilt >>ein steinernes Kreuz zu setzen vor Albaxen<<, wo die Tat geschehen ist.“ (S. 30)

Am Ende befindet sich noch ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, falls man sein Wissen zu einem bestimmten Fall oder allgemein bezüglich Geschichte, vertiefen möchte.

© Pink Anemone

Fazit:
Bezüglich Literatur zu historischen Kriminalfällen war dies mein absolutes Lesehighlight. Man erhält hier nicht nur Einblick in historische Kriminalfälle, sondern auch gleichzeitig in den Wandel der Zeit und somit in die Geschichte, egal ob bezüglich auf die Dorfgesellschaft, die Kriminalistik oder allgemein. Die zahlreichen Abbildungen konnten meine Begeisterung sogar noch toppen und somit war dies ein Sachbuch, welches ich, trotz der Thematik, regelrecht verschlungen habe.

© Pink Anemone

© Pink Anemone

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Einblick in das Buchprojekt „Tatort Dorf“

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Weitere Buchinformationen

 

  • Gebundene Ausgabe: 180 Seiten
  • Verlag: Landwirtschaftsvlg Münster (15. Mai 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783784353241
  • ISBN-13: 978-3784353241
  • Preis: 17,95€ (Stand vom 19.03.2019)
© Pink Anemone

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Autoren-Info
Foto: Merle Weidemann

Gisbert Strotdrees hat Geschichte, Germanistik und Pädagogik in Münster und Bielefeld studiert und arbeitet seit 1988 als Redakteur beim Landwirtschaftlichen Wochenblatt Westfalen-Lippe. Außerdem ist er seit 2003 Lehrbeauftragter an der Universität Münster. Er hat mehrere Bücher zur Geschichte der Landwirtschaft und der ländlichen Gesellschaft verfasst.

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Ihr habt noch nicht genug von Mord und Totschlag, von Serienkillern und Forensik? Dann schaut doch beim Special von Christin und mir vorbei – „Wahre Verbrechen – Ein Blick hinter die Kulissen“. Hier findet Ihr einiges an interessanten Sachbüchern zu diesen Themen. Während sich Christin auf die zeitgenössischen Verbrechen und die Forensik konzentriert, findet Ihr bei mir, dem Geschichts-Geek, die historischen Kriminalfälle.

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6 Antworten auf „Rezension „Tatort Dorf“ von Gisbert Strotdrees ★★★★★

    1. Dankeschön. Ich weiß da nie für welche ich mich entscheiden soll und gerade bei diesem Buch fiel es mir besonders schwer. Am liebsten hätte ich das gesamte Buch durchfotographiert. Aber wenn ich das mache kauft’s ja keiner mehr XD

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  1. Wie ich dir auf Instagram schon gesagt habe, das Buch steht jetzt ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Wenn ich jetzt die ganze Fotos hier im Beitrag sehe, wird das Buch gleich noch viel interessanter. Ich finde es super wichtig, wenn solche Fälle vernünftig bebildert sind, so kann man sich besser auch einen eigenen Eindruck machen.

    Viele liebe Grüße
    Chrissi

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    1. Hallo Chrissi,
      ich liebe es auch wenn Sachbücher reich bebildert sind. Vor allem wenn es sich dabei um historische Themen handelt. Ich bin in der Hinsicht sowieso ein Geschichts-Geek 😉
      Dieses Buch ist wirklich sehr reich bebildert, mehr als die anderen vorgestellten Bücher. Das hat mitunter auch dazu geführt, dass es ein Highlight wurde 😉

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  2. Ich hätte jetzt spontan gesagt, dass auf den Dörfern mehr Morde stattfanden, eben weil man dort vllt nicht damit gerechnet hat oder eine Person mehr oder weniger nicht so auffällt. Arbeitsunfall halt 😛

    Btw
    das wandert auf jeden Fall auf meine Liste!
    *fähnchen schwenk*

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    1. Die mörderische WL füllt sich also nicht nur bei mir. Naja, wieso soll es Dir anders ergehen als mir mit Dir XD

      Das auf dem Land genauso Morde verübt werden ist klar. Aber es hält sich ja bis heute das Gerücht, dass es in den Städten wie in Sodom und Gomorra zugeht. Wir Landeier wissen das natürlich besser 😉

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