Rezensionen · Romane

Rezension „Meine Schwester, die Serienmörderin“ von Oyinkan Braithwaite ★★

Nach all der Lobhudelei für mich leider nur eine Enttäuschung.

Geschwisterliebe vs. Geschwisterkonkurrenz

Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ayoola ist das Lieblingskind, unglaublich schön — und sie hat die Angewohnheit, ihre Männer umzubringen.
Korede ist eher praktisch veranlagt und dafür zuständig hinter ihrer Schwester aufzuräumen: die Krankenschwester kennt die besten Tricks, um Blut zu entfernen, und ihr Kofferraum ist groß genug für eine Leiche. Dann verknallt sich natürlich auch Tade, der hübsche Arzt aus dem Krankenhaus, in Ayoola, der doch eigentlich für Korede bestimmt ist. Jetzt muss die sich fragen, wie gefährlich ihr Schwester wirklich ist — und wen sie hier eigentlich vor wem beschützt. Dieser euphorisch gefeierte Roman aus Nigeria ist so beiläufig feministisch wie abgründig, er ist „fiebrig heiß“ (Paula Hawkins) und verdammt cool zugleich… (Klappentext)

© Pink Anemone

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„Ein normaler Mensch wäre vielleicht sauer, aber ich verspüre in diesem Augenblick nur das dringende Bedürfnis, diese Leiche loszuwerden.
Als ich ankam, trugen wir ihn als Erstes in den Kofferraum meines Wagens, damit ich schrubben und wischen konnte, ohne dabei sein kaltes Starren ertragen zu müssen.“
(S. 9)

Die beiden Schwestern Korede und Ayoola sind nicht nur äußerlich völlig verschieden, sondern auch in allen anderen Dingen.
Korede, die Ältere, steht mit beiden Beinen im Leben, arbeitet als Krankenschwester, ist klug, empathisch, findet sich selbst jedoch alles andere als hübsch. Ayoola hingegen ist eine wunderschöne Frau, weiß und hört das auch gerne, wickelt jeden um ihren Finger, hat eine narzisstische Ader … und bringt ihre Liebhaber um.
Während Ayoola jedes Mal beteuert, dass der Mann an allem schuld war, übernimmt Korede das Reinigen des Tatortes und lässt die Leichen verschwinden. Bis sich Ayoola in den Arzt Tade verguckt, den Korede heimlich anhimmelt.

© Pink Anemone

„Tade verstummt, und mir gefriert das Blut in den Adern. Ayoola befreit sich aus meinem Griff, aber das macht keinen Unterschied mehr, es ist ohnehin zu spät. Sobald sein Blick auf Ayooda fällt, weiten sich seine Augen. Er rückt seinen Arztkittel zurecht.“
(S. 61)

Man liest aus der Sicht von Korede und man spürt schnell diesen Konkurrenzkampf in dem sie sich mit ihrer Schwester befindet. Sie bewundert ihre jüngere und hübsche Schwester, fühlt sich für sie verantwortlich, beschützt sie und will nicht, dass ihr etwas Schlimmes passiert. Gleichzeitig spürt man aber auch Neid und Missgust, die sie ihr gegenüber empfindet, denn selbst in der Familie bekommt Ayoola immer das was sie will – Zuspruch, Anerkennung und Liebe, während Korede auch hier das Nachsehen hat.
Das Einzige was die beiden zu verbinden scheint sind die Aufräumarbeiten, nachdem Ayoola wieder einmal getötet hat. Während Ayoola nach den Morden wieder vergnügt durchs Leben tanzt und keinen Gedanken mehr daran verschwendet, versucht Korede alles, um nicht verdächtig zu erscheinen und der Druck in ihrem Inneren steigt. Der Einzige mit dem sie darüber redet, dem sie ihr Herz ausschüttet, ist ein Patient im Koma.

© Pink Anemone

„Vor wenigen Tagen erst haben wir einen Mann an das Meer übergeben, aber hier ist sie nun und tanzt.
Ich lehne mich gegen den Türrahmen und beobachte sie, versuche und scheitere daran, zu verstehen, wie es in ihrem Kopf aussieht.“
(S. 41)

Im Verlauf erfährt man nicht nur wie es im Inneren von Korede aussieht, sondern wirft auch einen Blick in die Familienverhältnisse und in das Arbeitsleben von Korede. Dabei schwingt immer ein verbitterter und auch verzweifelter Ton mit, was durchaus passend und authentisch ist. Doch obwohl sie ihre Schwester im Stillen verflucht, hält sie immer zu ihr, hilft ihr und glaubt ihr. Immerhin ist sie ihre ältere Schwester und das machen eben ältere Geschwister und außerdem – wer würde ihr schon glauben?

Der Schreibstil ist schnörkellos und direkt und die Kapitel kurz und knapp. Dadurch fliegt man innerhalb weniger Stunden durch das Buch und obwohl ich es in kürzester Zeit verschlang, ließ es mich doch enttäuscht zurück.

© Pink Anemone

Es beginnt schon bei den Protagonisten. Sympathieträger findet man hier nicht, wobei das für mich nicht unbedingt ein notwendiges Kriterium ist um eine Story gut zu finden, sofern es zur Story passt. Das tut es definitiv, doch was mich störte waren die blassen Figuren.
Obwohl man aus Koredes Sicht las, sie mir quasi ihr Inneres offenbarte und mir gleichzeitig auch Ayoola näher brachte, blieben sie beide blass und irgendwie nichtssagend. Mir waren die beiden bis zum Ende hin also in gewisser Weise völlig schnurz.

Das wäre das Eine, das Andere ist, dass man überall liest, dass es ein feministisches Buch ist, welches die patriarchalen Zwänge Nigerias sichtbar macht. Ich habe weder das eine, noch das andere darin entdeckt. Im Grunde könnte die Geschichte überall spielen, denn Lagos, eine Großstadt in Nigeria, wird nur am Rande erwähnt und die patriarchalen Zwänge werden auch nur kurz angerissen ohne näher auf diese einzugehen.
Zum Beispiel durch Koredes Einblick in die Erinnerungen an ihren Vater. Das ist natürlich harter Stoff, jedoch so distanziert transportiert und so schnell abgehandelt, sodass es mir nicht so sehr ans Herz ging wie es wohl sollte. Also auch hier wieder dieses Egal-Gefühl.
Und wo der Feminismus steckt? Tja, keine Ahnung. Nur weil Ayoola schön ist und Männer ihr hinterherhecheln? Sie wurde nicht durch das Patriarchat zu dem gemacht was sie ist, sondern weil sie eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, welche von Mutter und Schwester nicht erkannt und somit unwissentlich gefördert wurde. Sie ist was sie ist – eine Serienmörderin. Aus und Ende.

© Pink Anemone

„Als Ayoola an diesem Abend zurückkehrt, fasst sie die Rosen an, fotografiert sie und will das Bild gerade online stellen, als ich sie, schon wieder, daran erinnere, dass sie einen Freund hat, der seit einem Monat vermisst wird und um den sie trauern sollte.
Sie macht einen Schmollmund. >>Wie lange muss ich denn noch langweiliges, trauriges Zeug posten?<<“
(S. 85)

Das Ende wird nicht jedem gefallen, doch während mich die gesamte Story und auch die Figuren nicht beeindrucken konnten, fand ich das Ende gut und vor allem, vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet, durchaus authentisch.
Um das näher zu erklären, müsste ich spoilern, daher möchte ich nur zwei Wörter in den Raum werfen und zwar: Manipulation und Co-Abhängigkeit.

Fazit:
Ich habe mir nach all den vielen Rezensionen mit all den Lobhudeleien mehr erwartet und wurde leider dementsprechend enttäuscht.
Der viel gepriesene Witz war meiner Meinung nach nicht vorhanden, ebenso nicht der erhoffte feministische Kampf gegen das patriarchale Regime Nigerias. Es ist einfach nur ein Roman zweier Schwestern, in der die eine ihre Liebhaber killt und narzisstische Tendenzen aufweist, während die andere zwischen Liebe und Rivalität hin- und hergerissen ist. Leider ohne Tiefe, denn dafür wird alles zu oberflächlich und schnell  abgehandelt.
Schade, denn Potenzial für etwas Großes war durchaus vorhanden.

© Pink Anemone

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Leseprobe

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Bloggermeinungen
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Kejas- Blogbuch
Von Kerstin

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Weitere Buchinformationen
  • Herausgeber: Blumenbar; 4. Edition (10. März 2020)
  • Originaltitel: My Sister, the Serial Killer“
  • Übersetzerin: Yasemin Dinçer
  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
  • ISBN-10: 3351050747
  • ISBN-13: 978-3351050740
  • Preis: ab 19,62€ (Stand vom 13.05.2021)
  • Auch erhältlich als: E-Book, HB und TB
© Pink Anemone

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Autoren-Info
Bildquelle: Aufbau-Verlag; ©Studio 24

Oyinkan Braithwaite hat Kreatives Schreiben und Jura in Kingston studiert, in einem nigerianischen Verlag und in einer Produktionsfirma gearbeitet. Heute ist sie als freie Autorin tätig. Sie war nominiert für den Commenwealth Short Story Preis und ihr Debütroman »Meine Schwester, die Serienkillerin« war weltweit ein fulminanter Erfolg, wurde für den Booker Prize und den Women’s Prize nominiert und gewann den Los Angeles Times Prize für den besten Thriller. Eine Verfilmung ist in Vorbereitung. Oyinkan Braithwaite lebt in Lagos, Nigeria..

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3 Antworten auf „Rezension „Meine Schwester, die Serienmörderin“ von Oyinkan Braithwaite ★★

  1. Liebe Conny,
    ich kann nachvollziehen, wieso Dich das Buch so enttäuscht hat. Es ist immer kritisch, wenn viele Lobeshymnen Erwartungen wecken. Da kann man fast nicht mehr unvoreingenommen an ein Buch herangehen. Dass es nicht so feministisch ist wie behauptet, würde mich persönlich nicht stören. Viel mehr beunruhigt mich, dass Du den Humor nicht gefunden hast. Der wäre schon schön bei der skurrilen Ausgangssituation. Das eBook wartet schon hier auf mich, also werde ich mir mal einen eigenen Eindruck über das Buch bilden.
    Liebe Grüße
    Gabi

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  2. Ich bin immer wieder auf‘s Neue fasziniert, wie du alle Sachen durch deine Fotografien in Szene setzt. Da wird jeder Beitrag zu einem Kunstwerk, wirklich wahr. Nicht nur die Qualität, sondern auch diese kleinen, liebevollen Details. Da ich selber nur auf Fotografien von schlafenden Hunden spezialisiert bin, beeindruckt mich das hier in besonderem Maße.

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    1. Du solltest Deine fotographischen Fähigkeiten eventuell auf mordlüsterne Hunde ausweiten. Wer weiß, vielleicht brauchst mal Beweisfotos XD
      Danke für das Kompliment. Von einem Foto-Spezialisten ist das etwas ganz Besonderes *g*

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